Ich möchte mal über zwei weitere wichtige Aspekte beim Camino erzählen: die Unterkunft und die Verpflegung.
Der „klassische“ (was auch immer das ist) Pilger kommt normalerweise in den Albergues Municipal unter. Das sind die öffentlichen Herbergen, von den Gemeinden, Kirchen oder Klöstern betrieben. Dort gibt es z.T. sehr große Schlafsäle mit Stockbetten, was ein einmaliges Erlebnis an Gerüchen und Geräuschen beschert. Die Kosten sind sehr gering, ein paar Euro oder sogar auf Spendenbasis. Schön ist, dass dort viel für die Gemeinschaft getan wird, gemeinsames Essen kochen, Beten, Musikmachen, Segnungen usw.
Wegen der Pandemie haben im Moment die meisten öffentlichen Herbergen geschlossen.
Dann gibt es die privaten Herbergen. Die Schlafsäle sind kleiner (also nur so 8-10 Leute drin), die Kosten höher (10-15€), aber auch in diesen darf zur Zeit nicht selbst gekocht werden. Meistens ist eine Bar/ein Restaurant dabei, dort gibt es für ein paar Euro Frühstück, ein Pilgermenü für 10-13€, Getränke und Kleinigkeiten (tapas). Manchmal macht die Bar schon um 7 auf, manchmal erst irgendwann, wenn alle schon weg sind. Dann gibts halt nix.
Die privaten Herbergen haben neben den Schlafsälen oft auch noch Einzel- oder Doppelzimmer.
Oder man geht für ein bisschen Privatsphäre in ein Hostal oder gleich ins Hotel.
Die Preise für Einzelzimmer variieren stark und hängen wohl auch von der Konkurrenz ab. Ich habe für ein sehr tolles Zimmer 20€, für ein Schimmelzimmer auch schon 45€ bezahlt… was man kriegt, weiß man vorher nicht.
Ich reserviere gerne vorher, auch das sehen manche kritisch! Der richtige Pilger geht, soweit er kann und schläft dort, wo er ein Bett kriegt. Ja, kann man machen, ich aber nicht! Mir beschert es einen ruhigen, ausgeglichenen Tag, wenn ich weiß, wo ich hin muss und die Gewissheit habe, ein Bett zu haben. So manch einer rennt im ganzen Ort herum auf der Suche und muss manchmal noch ein paar Kilometer in Kauf nehmen, bevor ein Ruhelager gewiss ist. Das ist nichts für mich!
Da ich wohl keine „klassische“ Pilgerin bin, nehme ich mir gerne ein Einzelzimmer! Ich stehe dazu. Ich schlafe sowieso schlecht, da brauche ich kein Schnarchkonzert! Ich will auch nicht früh zur unsäglichen Zeit von Stirnlampengeleuchte, Tütengeraschel und Geratsche von Reißverschlüssen geweckt werden.
Aber: manchmal lässt es sich halt nicht vermeiden, in einen Schlafsaal zu gehen, so ein Bett ist besser als kein Bett…
Ich bin ja jetzt schon recht spät im Jahr unterwegs. Was für die Leute, die im Hochsommer hier sind, ein Segen ist, ist für mich ein Fluch: die kalten, alten Häuser! Die meisten Zimmer sind bitterkalt, die Steinfliesen lassen mich schon bibbern, wenn ich früh nur einen Zeh aufsetze. Keine Heizung, heißes Wasser immerhin meistens. Egal, welche Preiskategorie…
Brrrr, was friere ich hier! Gut, dass ich meinen Daunenschlafsack habe! So bin ich nicht auf die Wolldecken der Unterkünfte angewiesen, die oft nicht sehr vertrauenswürdig aussehen.
Aber hey: was bin ich doch verwöhnt…
Jetzt zum Essen:
Wann immer ich an einem Supermarkt vorbeikomme, kaufe ich eine Banane, einen Apfel und, falls verfügbar, einen Proteindrink. Joghurt und Co. geht mangels Löffel nicht. Merke: Löffel mitnehmen! So habe ich schon mal eine Mahlzeit zusammen. Mehr kaufen ist nicht: Obst ist schwer und Drinks können nicht gekühlt werden. Ein paar Proteinriegel finden sich auch noch in den Untiefen meines Rucksacks, bis Santiago sollen sie weg sein, habe sie lange genug rumgeschleppt.
Das klassische spanische Frühstück besteht aus Heißgetränk, frisch gepressten Orangensaft und wahlweise Toast mit Butter und Marmelade (komischerweise zu 90% Pfirsich) oder einem süßen Gebäckteilchen. Der Toast ist das alte Brot vom Vortag! Ich kann früh eigentlich nichts essen, trinke nur einen Kaffee und esse dann gerne so um 10/11 eine Tortilla espanola (Kartoffeln und Ei). Oder Obst. Kohlenhydrate zum Laufen…
Wenn ich am Zielort bin, esse ich oft einen Salat, am Abend gibt es dann ein Pilgermenü: für 10-14€ gibt es Vorspeise, Hauptgericht, Nachtisch, Wein und Wasser. Kein schlechter Deal…
Meistens ist es auch wirklich gut, aber: Leute, ihr kennt mich. Ich, die gerne rumzetert und mäkelig ist und seit vielen Jahren vegetarisch lebt und das eigentlich, so insgeheim ja von allen erwartet, habe hier keine Chance!
Auf einem gemischten Salat ist immer Tunfisch aus der Dose drauf. Ohne geht nicht. In einer Gemüsesuppe schwimmt immer Fleisch umher. In den Tortillas sind kleine Schinkenwürfelchen, einfaches Brot kommt mit ein bisschen Salami oder Speck obendrauf. Habe mal einen vegetarischen Teller bestellt, da lag ein ganzer Fisch auf dem Gemüse und der Reis von einer Reis-Gemüsepfanne war in Tintenfisch-Sud gekocht. Ach, ich könnte ewig so weitererzählen, aber ich habe mich stattdessen entschieden, einfach alles zu essen, was es gibt. Ich frage nicht mehr nach, ich esse einfach! Sind ja auch Proteine, die ich gut gebrauchen kann – grins…
So manches Gericht ist eine Enttäuschung und manch anderes eine kulinarische Überraschung! Am Ende geht nichts über das wohlige Gefühl, wenn der ausgezehrte Körper Brennstoff erhält und die Wärme sich verbreitet bis in den kleinen Zeh.
Ganz ehrlich: tief beeindruckt bin ich von der spanischen Speisekarte nicht. Ich freue mich auf eine selbst gekochtes, vollwertiges Essen nach meinem Gusto. Zuhause. Auch ohne Wein. Und ohne Tier!