oder: Eine Ameise krabbelt übers Fußballfeld (Zitat aus einem Reisebericht)
Der Weg in eine Stadt hinein oder aus ihr heraus ist immer recht anstrengend – laufen auf Asphalt, durch Industrie- und Gewerbegebiete, die Autos und LKWs donnern vorbei – aus ist’s mit der ländlichen Idylle.
So war es auch aus Burgos heraus: durch die Vorstadt bis wir dann endlich wieder auf dem angenehmen Fußweg waren, der uns in die Meseta führte. In vielen Reiseberichten (auch in meinem letzten) wird geschrieben, dass dieser Teil der Höhepunkt des gesamten Jakobswegs ist.
Der erste Teil des Camino Santiago wird damit verbracht, den Körper an das tägliche Laufen, Tragen des Rucksacks, Schlafen im Schlafsaal, also körperlich an die Herausforderungen anzupassen.
Wenn dann die ersten Blasen verheilt, die von den Pyrenäen geschädigten Knie sich beruhigt haben oder unterstützt sind, wenn man also so richtig in den Flow kommt, dann beginnt der zweite Teil: der Kopf ist gefragt! Die mentale Stärke wird erforderlich.
Mir ist fast egal, ob ich 5, 10 oder 25 km laufe. Ich weiß, wieviel es sein muss und das laufe ich. Wenn ich nach, sagen wir 12 km ankomme, will ich keinen Schritt mehr tun und bin froh, dass ich da bin. Das gleiche bei 18 und bei 23. Jedesmal denke ich, das war’s für heute, mehr geht auch gar nicht. Aber es geht immer mehr – es ist reine Kopfsache. (Die Füße wollen schon nach 3 km nicht mehr, aber das ist eine andere Sache.)
Die Schwierigkeit dabei ist, dass es eben durch die Meseta geht. Unendliche Einsamkeit, lange, eintönige Wege, die Sonne brennt.
Um hinter Burgos in die Meseta zu kommen, müssen wir einige Tafelberge erklimmen, wir sind umgeben von einer einfach herrlichen Landschaft. Fast unmerklich wird sie flacher und flacher, das Auge reicht bis zum Horizont, sucht immer wieder unwillkürlich den Weg, der sich irgendwo im Nichts verliert.
Und so komme ich auch mental wieder dahin, wo sich die Gedanken im Nichts verlieren. So fühlt sich wohl die Ewigkeit an, denke ich. Wenn nur die Schwerkraft nicht wäre.
Wir gehen von Dorf zu Dorf. Mal bleiben wir für die Nacht, mal gehen wir nur durch. Meistens machen wir aber zumindest Pause, denn bis zum nächsten Dorf sind es immer 5-8 km.
Wir sind immer in Schlafsälen untergebracht, mal für 25€ für eine dünne Matratze im Quietschebett und eisigen Duschen, mal für 18€ mit Vorhang und eigener Steckdose und Licht am Bett. Alle paar Tage wird mal Wäsche gewaschen. (Typische Tätigkeit des Pilgers: an den eigenen Socken riechen)
Wir gehen einige km an einem Kanal entlang, von dem ich letztes Mal schon berichtet habe: damals dachte ich, ich hätte Tinnitus, weil ich ständig so ein gleichmäßiges Pfeifen im Ohr hatte. Ich fand heraus, es war ein feiner, gleichmäßiger Wind, der mir ins Ohr gepfiffen hat. Siehe da: gleicher Ort, gleiches Geräusch – hallo Wind!
Ein paar Orte erkenne ich wieder, manche, an die ich gute Erinnerungen habe (der verschlafene Wirt), sind geschlossen, andere sind mir aufgrund der anderen Jahreszeit völlig neu und erstaunen mich…
Einer meiner Gründe, den Camino nochmal zu gehen, war, dass damals, im Herbst 21 alles sehr trist und braun war. Alle Felder waren abgeerntet. Und nun wollte ich sehen, wie es mir gefällt, wenn alles im Wachsen und Blühen ist und ob es einen Unterschied macht. Es gefällt mir sehr gut, das Grün und die Blüten zu sehen, ist Balsam für die Seele, aber ich glaube nicht, dass es wirklich einen qualitativen Unterschied macht. Die Lauferei muss trotzdem gemacht werden, es ist trotzdem eine endlose Weite, lange Wege und das Mindset muss stimmen!
Eine Ameise krabbelt übers Fußballfeld.