Heute erzähle ich mal nicht von mir, sondern von Roman.
Roman ist Pole und ein Handwerker. In seiner Werkstatt restauriert er alte Möbel. Sein Haus steht ganz nah bei der Kirche in seinem Heimatdorf, was praktisch ist, weil Roman praktizierender Christ ist. Roman fährt gerne Motorrad und ist immer gerne auf seiner Maschine durch Europa gefahren. Er ist 56 Jahre alt und hat einen Sohn. Roman spricht Polnisch und Russisch.
Vor ungefähr 2,5 Jahren hat er beschlossen, nach Santiago de Compostela und Finisterre zu gehen. Zu gehen. Von zuhause aus.
Er fing an, sich vorzubereiten. Statt der Motorradtouren machte er lange Wanderungen an den Wochenenden. Seine Ausrüstung hat er teils geliehen, teils gekauft, keine Markenprodukte, sondern einfache Sachen. Halbschuhe vom örtlichen Ausstatter zB.
Und Mitte Mai 2021 lief er los.
Der traditionelle Pilger beginnt seine Pilgerreise, in dem er seine Haustür oder die Kirchentür hinter sich zuzieht und losläuft. Das hat Roman getan. Am Abend vor der Abreise ging er in die Kirche zum Gottesdienst, ging anschließend nochmal in sein Haus, um dort zu schlafen und hat dieses am nächsten Morgen verlassen, zog die Tür hinter sich zu und lief los.
Er lief über Südpolen, Tschechien, Deutschland (Franken), das Elsass, Frankreich, die Pyrenäen nach Spanien.
Mit jedem Schritt dankt er Gott für die Schöpfung, die Pflanzen, das Wasser, die Tiere, den blauen Himmel, die Sonne, den Regen. Er dankt für sein Leben, seine Familie, sein Essen und alle Menschen.
Das ist seine Motivation. Jeder Schritt ist ein Dankesgebet.
Er hat noch kein Teil seiner Ausrüstung ersetzt , von den Schuhen löst sich die Sohle, aber denkt, dass sie noch halten bis zum Schluss.
Er schreibt täglich seine Erlebnisse in ein kleines Büchlein, telefoniert täglich mit seinem Sohn, der für ihn von Polen aus alles organisiert.
Roman spricht nur Polnisch und Russisch!
Vor 5 Tagen hatte er erstmals Kontakt zu anderen Polen und konnte in seiner Sprache reden. Leider nur für eine kurze Kaffeepause, weil die beiden mit dem Rad unterwegs waren und schnell weiter wollten.
Vorgestern ist Maggie auf ihn aufmerksam geworden. Maggie ist Polin und lebt in Dublin. Seitdem hat er Kontakt zu ihr und zu anderen, weil Maggie übersetzt. Seine Einsamkeit ist ein wenig gelindert.
Heute durfte ich mit Roman, Maggie und 2 weiteren den Abend verbringen…
(Roman ist ganz rechts, dann Maggie, Michael und Mark)
Das polnische Fernsehen hat schon eine Reportage über ihn gebracht, diverse Artikel sind über ihn erschienen. Ich darf also seine Geschichte erzählen.
In wenigen Wochen wird er am Ziel sein. Auf seiner Compostela wird stehen, dass er 3600 km gelaufen ist.
Nach einer gewissen Zeit der Regeneration zuhause wird er sein nächstes Ziel anpeilen: er will nach Jerusalem gehen – 6000 km. Um Gott zu danken für alles…